Hand auf´s Herz - wieviele Stunden Special Olympics haben Sie sich angeschaut? | KSL.NRW Direkt zum Inhalt
30.06.2023
Fahne mit Special Olympics Logo

Die Special Olympics – in den Medien immer wieder als das „größte INKLUSIVE Sportfest“ weltweit angekündigt. Bei genauer Betrachtung wird jedoch deutlich, dass es dann doch leider eine sehr EXKLUSIVE Veranstaltung geblieben ist. Wenn überhaupt, fand Inklusion noch auf den Zuschauerrängen statt, weil dort Menschen mit und ohne Behinderung gleichberechtigt nebeneinander jubeln durften. Die Athlet*innen mit kognitiven Behinderungen blieben jedoch unter sich. Sie nutzten Sportstätten, die von Sportler*innen ohne Behinderungen zuvor verlassen wurden - wie schade - sie hätten bleiben und es tatsächlich zu einem inklusiven Sportfest machen können. Aber bereits der Titel "Special Olympics" verdeutlicht: hier passiert etwas Besonderes, Spezielles, nichts Normales, sondern sehr Exklusives. Vermutlich sind die Special Olympics für die teilnehmenden Sportler*innen das Highlight in ihrer sportlichen Karriere und der enorme Aufwand, der rund um die Organisation dieser Veranstaltung betrieben wird, ist dem Anlass angemessen und bietet dem sportlichen Engagement der Athlet*innen einen überaus würdigen Rahmen. Doch einer spektakulären Eröffnungsfeier mit 50.000 Besuchern und prominenten Schirmherr*innen folgt dann doch ziemlich schnell Ernüchterung: Nicht mehr viele der Gäste der Eröffnungsfeier verirren sich auch an die Sportstätten der Athlet*innen, um den Wettbewerben eine angemessene Kulisse zu verleihen. Die Ränge leer und die Berichterstattung in den Medien lückenhaft und unübersichtlich, weil vermutlich nicht mit hohen Einschaltquoten zu rechnen ist. So bleibt vielen sportinteressierten, potentiellen Zuschauern verborgen, welche sportlichen Höchstleistungen und emotionalen Höhepunkte dargeboten wurden – Spannung inklusive.

Um Chancengleichheit herstellen zu können, werden innerhalb der Wettkämpfe Gruppen gebildet, die berücksichtigen, wie ausgeprägt eine jeweilige Behinderung ist. Auch von den Paralympics kennt man diese Einteilungen bereits. Eine faire und gute Idee – diese könnte im Rahmen der "normalen“ Olympischen Spiele genauso genutzt werden und Sportler*innen mit und ohne Behinderung ein gemeinsames inklusives Sportfest feiern lassen. Gemeinsam im olympischen Dorf, gemeinsam an den Sportstätten und gemeinsam vor einem Publikum, dem nicht nur Weltrekorde und Superstars präsentiert werden, sondern ein vielfältiges, abwechslungsreiches und spannendes Gesamtprogramm.

Sehgewohnheiten zu ändern und die Bereitschaft, sich auf eine neue Art von Wettbewerben einzulassen, kann nicht verordnet werden – sie kann jedoch im Vorbeigehen entstehen, eher zufällig, und jede*r Einzelne, der hängenbleibt, seine Aufmerksamkeit zuwendet und hiervon weitererzählt, trägt ein wichtiges Stück zu einer inklusiveren Wahrnehmung unserer Gesellschaft bei. Damit diese „Wahrnehmung im Vorbeigehen“ passieren kann, ist es notwendig, sie mit dem Gewohnten zu vermengen – das Halbfinale des 100-Meter-Sprints mit Minispeerwurf und Rollstuhlrugby unterbrechen und die Zuschauer fast unbemerkt zu neuen Eindrücken einladen.

Special Olympics, Paralympics und Olympische Spiele gemeinsam denken, planen und durchführen - daraus könnte ein echter, großer Inklusions-Wurf werden. Als wertvoller Nebeneffekt entstünde hieraus vielleicht auch noch eine stärkende Stimme für die Rechte von Menschen mit Behinderungen in den beteiligten Ländern, in denen es um diese Rechte noch deutlich schlechter bestellt ist. Ein tatsächlich „größtes inklusives Sportfest“ mit weltweiter Aufmerksamkeit hätte vermutlich das Zeug dazu. Eigentlich ist auch alles schon da: Großartige Special Olympics, faszinierende Paralympics und höchst professionelle Olympische Spiele – die jeweils Verantwortlichen müssen nur noch an einen Tisch kommen, um daraus ein gemeinsames, inklusives Mega-Event zu stricken – das wäre mal ein wirklich dolles Ding!

Stephan Wieners (KSL.Detmold)