Interview mit Lea Voitel zu barrierefreiem Reisen, Studium der Sozialen Arbeit im Ausland und Empowerment | KSL.NRW Direkt zum Inhalt
Links steht Fensterblick Extern/Daneben ist ein Foto von Lea Voitel, eine junge Frau im Rollstuhl, eingebettet in die Stilelemente (Kacheln) der KSL.NRW. Die sind lila-farbig und dunkelblau.

Fensterblick Extern

Ich habe aktuell sechs Assistent*innen, die mich sowohl im Haushalt als auch in der Freizeit und beim Studium unterstützen. Ich nutze dazu das Persönliche Budget seit 2019 und seit 2022 im 24-Stunden-Modell. (...)
Die acht Wochen in Helsinki habe ich so organisiert, dass immer zwei Assistent*innen für zwei oder drei Wochen bleiben, dann reisen sie zurück und die anderen beiden kommen.“

von Lea Voitel / Interview / KSL vernetzt

Lea Voitel ist Grenzgängerin. Dieses Mal fährt die 27-Jährige 30 Stunden lang mit der Fähre nach Helsinki, um nach dem vierten Semester ihres Studiums der Sozialen Arbeit Auslandserfahrungen zu sammeln, und um ihr Englisch zu verbessern. Die DIAK Helsinki hat ihr einen Studienplatz im Fach Social Services angeboten. Die Grenzen überwindet sie jedoch nicht nur, indem sie ihre studentische Heimat Potsdam verlässt, um Richtung Nordeuropa aufzubrechen: Sie hält an ihren Idealen und Vorhaben rund ums Reisen fest, will barrierearme Infrastrukturen im Bildungs- und sozialen Raum Helsinkis testen und ihrer Rolle als Arbeitgeberin auch im Ausland gerecht werden, statt sich auf Nichterfahrungen beschränken zu lassen.

Lea ist Expertin in eigener Sache. Sie benötigt einen Rollstuhl, um von A nach B zu kommen. Beginnen wir bei A:

Wibke Roth: Lea, auf deiner Webseite handicaptation.de und auf Instagram @handicaptation habe ich erfahren, dass du deine Träume lebst und auch andere Menschen – ob mit oder ohne Behinderungen – ermunterst, dies zu tun. Seit wann reist du und wo ging es hin?

Lea Voitel: Mit meinen Eltern ging es nach 2021 z.B. nach Abu Dhabi, zwei Jahre später nach Istanbul. Ich bin schon von Kindesbeinen an mit meinen Eltern verreist. Seit 2012, also seit meiner Jungend, reise ich aber auch mit einem Reiseveranstalter, der sich auf das Reisen von Menschen mit Behinderungen spezialisiert hat. Für diesen Veranstalter arbeite ich im Bereich Social Media und Marketing. Mit Handicaptation halte ich unter anderem Vorträge und schreibe Artikel.  

Lea ist Arbeitgeberin von Persönlichen Assistent*innen. So kann sie selbstbestimmt leben, studieren und reisen.

Wibke Roth: Du lebst und studierst in Potsdam. Du lebst mit Persönlichen Assistent*innen im Arbeitgebermodell. Wie organisierst du deinen Alltag und wie wird das in Helsinki laufen? Du hast gerade die Flüge für alle gebucht, richtig?

Lea Voitel: Genau. Ich habe aktuell sechs Assistent*innen, die mich sowohl im Haushalt als auch in der Freizeit und beim Studium unterstützen. Ich nutze dazu das Persönliche Budget seit 2019 und seit 2022 im 24-Stunden-Modell. Etwa 80 Prozent meiner Assistent*innen kommen über einen Dienstleister zu mir, 20 Prozent sind bei mir selbst angestellt.
Die acht Wochen in Helsinki habe ich so organisiert, dass immer zwei Assistent*innen für zwei oder drei Wochen bleiben, dann reisen sie zurück und die anderen beiden kommen.

Lea ist ein Organisationstalent. Sie wirkt auf mich, also ob sie das, was sie sich in den Kopf setzt, auch umsetzt.

Ein Foto der University of Helsinki, wo Lea Voitel Social Services studiert, ist ein graues Gebäude aus Beton und Glas

Wibke Roth: Wie bist du auf Helsinki gekommen und was waren bis jetzt die größten Herausforderungen? Du hast mir gesagt, dass du bis jetzt etwa 50 E-Mails zur Vorbereitung geschrieben hast…

Lea Voitel: Ja. Ich habe mich bei der Koordinatorin des International Office der Hochschule beworben. Finnland, besonders Helsinki, ist Vorreiter für Inklusion. Die Zusage der Hochschule habe ich nach circa zwei Wochen erhalten. Für mich waren die größten Herausforderungen bislang, zu organisieren, wie ich meinen E-Rolli und meinen normalen Rollstuhl mit all dem vielen Gepäck nach Finnland bringe; und eine Wohnung zu finden. Nicht zu wissen, wie sie wirklich aussieht, war bis jetzt die größte Herausforderung. Aber ich habe mich entschieden. Wie bei den Reisen sind es meine Eltern, die mich dabei sehr unterstützt haben. Außerdem bin ich sehr ehrgeizig.

Wibke Roth: Ich danke dir für das Gespräch, Lea, und wünsche dir eine großartige Zeit –auch zum Grenzen testen.

Lea Voitel: Gern. Und: Danke.

Foto von Lea Voitel, eine junge Frau im Rollstuhl/Das Bild zeigt sie vor einer grauen Tür aus Holz eingebettet in rosafargigem Stein in Suomenlinna, der Festungsinsel bei Helsinki

Vita von Lea Voitel:

Geburtsjahr: 1997

Geburtsort: Lutherstadt Eisleben

Lebt und studiert in Potsdam

Studium: Studiert seit Oktober 2022 Soziale Arbeit an der Fachhochschule in Potsdam

Ausbildungen/Berufserfahrungen:

Seit 2022: Peer-Beraterin (Bifos e.V.)

Seit 2014: Expertin für das Reisen von Menschen mit Behinderungen

Seit 2016: Eigene Webseite für das Empowerment für die Freizeit, das Reisen und zukünftig (nach dem Studium) zur (rechtlichen Beratung) für Menschen mit Behinderungen