18.02.2020
Laut Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 30.01.2020 muss es einer blinden Person erlaubt werden, eine Arztpraxis zusammen mit ihrem Blindenführhund zu durchqueren, um eine Physiotherapiepraxis zu erreichen. Die blinde Klägerin und Beschwerdeführerin müsse sich nicht von einer ihr unbekannten Person führen zu lassen und den Hund vor der Praxis anbinden. Sie müsse sich auch nicht auf eine Außentreppe verweisen lassen, vor der ihr Hund scheue. Dies gelte unabhängig davon, dass sie selbst zwischenzeitlich die Treppe schon deswegen nicht mehr steigen könne, weil sie einen Rollstuhl nutze. Der von den Instanzen noch gebilligte Einwand der Beklagten, Hunde seien generell in der Praxis nicht erlaubt, da andernfalls der Eindruck einer unhygienischen Praxis entstehe, sei unbeachtlich. Von Blindenführhunden gehe allenfalls eine zu vernachlässigende Infektionsgefahr aus. Das Interesse behinderter Menschen an einem gleichberechtigten Zugang sei vorrangig. (Aktenzeichen 2 BvR 1005/18) Anmerkungen des KSL Arnsberg: Nach Art. 3 Abs. 3 Satz 2 Grundgesetz darf niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. Die Entscheidung verdeutlicht wieder einmal, dass dieses Benachteiligungsverbot wegen Behinderung nicht nur direkt den Staat verpflichtet, sondern als grundlegende Wertentscheidung des Grundgesetzes generell bei der Auslegung von Rechtsnormen zu beachten ist (hier des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes) und so in zivilrechtliche Rechtsverhältnisse hineinwirkt. Die Rechtsfragen an sich waren bereits vor der Entscheidung alle geklärt, weshalb das Verfassungsgericht mit nur drei Richter*innen entschieden hat. Weiterhin hat das Verfassungsgericht die blinde Person und die Blindenführhündin als ein "Gespann" betrachtet und die Möglichkeit offen gelassen, ob ggf. eine unmittelbare Diskriminierung vorliegt, obwohl die blinde Beschwerdeführerin die Praxis ohne Hund hätte betreten dürfen. |