Interview: qualifizierte Assistenz | KSL.NRW Direkt zum Inhalt
Karten der Kampagne Persönliche Assistenz und ein Portrait von einer jungen Frau draußen in der Natur

Fröndenberg a.d. Ruhr

Das Interview findet im August 2023 in Fröndenberg a.d. Ruhr im Wohnbereich eines Bauernhofs statt. Die Assistentin der freiberuflichen Philosophin, Dozentin, Lebensberaterin und Resilienz-Spezialistin Despina Sivitanides (s. Video unten) befindet sich dazu gemeinsam im Wohn-/Arbeitszimmer der Assistenznehmerin. Sie beschäftigt sie im sogenannten Arbeitgebermodell. Sie sagt: „Ich würde nie einen Assistenzdienst beauftragen, da ich selbst bestimmen möchte, wer so nah an mich herankommen darf.“

Pia Kraienhorst (Bild) ist studierte Sozialarbeiterin. Sie unterstützt Despina Sivitanides als sogenannte qualifizierte Assistentin seit Mai 2023 bei der kulturellen und sozialen Teilhabe.

Despina Sivitanides weiß nach eigenen Angaben erst seit zwei Jahren davon, dass sie einen Anspruch auf Assistenz hat. Sie sagt, dass sie bereits in ihrem Philosophie-Studium Assistenz-Bedarf gehabt hätte, dass sie dies jedoch ohne Assistenz bewerkstelligt hat, weil sie es musste. Despina Sivitanides hat Multiple Sklerose. Sie arbeitet viel vom Homeoffice aus und sitzt viel im Rollstuhl. Für ihre Dozententätigkeiten in den Bereichen B2CBG und gern Face-to-Face absolviert, tourt sie zu den jeweiligen Auftraggeber*innen. Philosophische Arbeit praktiziert sie wie die Beratung ihrer Kund*innen am liebsten aus dem B2B-Bereich mit ihrer „Nummer gegen Kummer“ auch am Wochenende. Sie sagt selbstbewusst von sich: „Ich löse alle Probleme, außer Handwerkliches.“

Fragen an die qualifizierte Assistent*innen

Allgemeine Angaben:

Vorname: Pia
Nachname: Kraienhorst
Geburtsjahr: 27.7.1994

Ausbildung/Studium: Studium der Sozialen Arbeit und Ausbildung zur Yogalehrerin
Bisherige(r) Beruf(e)/Tätigkeiten: Zum Beispiel die Freizeit- und Feriengestaltung für Kinder

Das Interview

Wenn Sie jemandem Ihren Beruf in einem Satz erklären müssten: Wie würde der lauten?
Ich begleite meine Assistenznehmerin durchs Leben, bin für sie da, wo sie mich braucht, nicht bevormundend zu sein und auf das Fragen zu reagieren.

Warum üben Sie diesen Beruf aus?
Ich komme durch mein Studium aus diesem Berufsfeld. Ich sehe mich weniger in dem Bereich der erzieherischen und bevormundenden Tätigkeiten: Stattdessen möchte ich Supporter sein. Und das lebe ich hier auch.

Würden Sie diesen Beruf einem anderen Menschen empfehlen? Und wenn ja: Warum?
Einigen Menschen bestimmt, aber definitiv nicht allen Menschen.

Warum das nicht?
Weil ich es wichtig finde, emphatisch zu sein und das ist nicht die Stärke eines jeden Menschen, sich selbst zurückzunehmen, zum Beispiel mit seinem Werte- und Normsystem oder mit seinen Meinungen über diese Person. Wenn ich zum Beispiel mit Despina zusammenarbeite, geht es um sie und nicht um einen selbst.

Sie arbeiten als qualifizierte Assistent*in, weil Sie ein Studium der sozialen Arbeit abgeschlossen haben. Können Sie einmal etwas genauer beschreiben, wie Sie Ihre Assistenznehmerin unterstützen?
Ich unterstütze Sie zum Beispiel bei administrativen Tätigkeiten, auch bei Anträgen und Widersprüchen, zum Beispiel im Umgangsrecht mit ihrem Kind.

Können Sie für Ihre*n Assistenznehmer*in etwas bestimmtes anbieten, das nur Sie können? (Hier zögert sie.) Oder anders: Worin glänzen Sie?
(Auch hier antwortet sie nicht sofort. Alle in der Runde beginnen wegen der ungewohnten Frage zu lachen. Ihre Assistenznehmerin sitzt mit im Raum und antwortet spontan für sie.)
Despina Sivitanides: Sie glänzt darin, mich zu umarmen, wenn sie sieht, dass ich falle. Und sie nimmt mich so fest in den Arm, dass es mein Herz berührt. Und sie tut es schon, wenn sie mich von weitem sieht. Und sie glänzt im Administrativen. Bei wie vielen Stellungsnahmen sie mich unterstützt, wenn ich mich um anwaltliche Angelegenheiten kümmern muss, dann geht es „tack, tack, tack, tack“. Da ich auch Angstpatientin bin, hilft sie mir, dass ich die Dinge, die anstehen, rational umsetzen kann. Meine beiden Assistent*innen bringen eine große Leichtigkeit in meine Leben.
(Pia Kraienhorst lächelt als sie das sagt.
Pia Kraienhorst übernimmt nun wieder das Wort.)
Pia Kraienhorst: Das ist ein gutes Feedbackgespräch gerade (lacht).

Welche Fortbildungen/Ausbildungen haben Sie hierfür absolviert oder wie kam es dazu, dass Sie diese Tätigkeit jetzt ausüben?
Ich bin studierte Sozialarbeiterin und gelte daher als qualifizierte Assistentin. Ein gemeinsamer Freund hat Despina und mich zusammengebracht. Ich habe ihr 2019 einmal eine Thaimassage gegeben. Später war sie auf der Suche nach einer neuen Assistenz.

Assistenz - Ist es für Sie einfach nur ein Job oder eher eine Berufung?
Für mich ist das eine Mischung. Und auf der Seite der Berufung steht, dass es eine Tätigkeit ist, die mir auch entspricht und mein Herz auch berührt, mich offen fühle und nicht aus Zwang handle. Aber natürlich ist es auch eine existenzielle Frage, mit der ich meinen Lebensunterhalt verdiene.

Was gefällt Ihnen an Ihrem Job besonders gut?
Ich mag, dass es ganz pragmatische, alltagsnahe Dinge sind – es ist anders, als mit abstrakten Dingen nur am Computer zu sitzen. Ich bin hier mein eigenes Werkzeug. Ich habe meinen Charakter so ausgebildet, dass ich hier sitzen und arbeiten kann.

Was gefällt Ihnen weniger gut?
Da fällt mir nichts zu ein.

Arbeiten Sie ausschließlich als Assistent*in für Frau Sivitanides oder noch für anderen Assistenznehmer*innen?
Ausschließlich für sie.

Wie viele Stunden pro Woche arbeiten Sie für Ihre*n Assistenznehmer*in?
Drei Stunden pro Woche.

Wenn Sie es uns verraten möchten: Wie viel verdienen Sie oder – falls Sie das nicht beantworten möchten/dürfen – können Sie von Ihrem Gehalt leben?
Ich habe einen Stundenlohn von 36 Euro. Das ist für mich ein wahnsinnig gutes Gehalt. Aber aufgrund des Stundenumfangs kann ich natürlich nicht davon leben.

Wer bezahlt Sie?
Meine Assistenznehmerin.

Wie haben Sie von diesem Beruf/dieser Tätigkeit gehört?
Über den vorherigen Kontakt zu Despina.

Was müsste/dürfte besser laufen, damit mehr Menschen diesen Beruf ausüben können?
Dass es an den richtigen Stellen Informationen zu diesem Beruf gibt, also zum Beispiel an den Unis.