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Interview: Studienassistenz

Karten der Kampagne Persönliche Assistenz und ein Bild von einer jungen Frau und einem jungen Man vor einem Bücherrgal

Dormund
In diesem Artikel gibt es jeweils ein Interview mit der Studienassistenz und seiner Assistenznehmerin. Das Interview wurde im August 2024 an der TU Dortmund geführt.

Fragen an den Studienassistenten

Allgemeine Angaben:

Vorname: Pascal
Nachname: Michallik
Geburtsjahr: 1996

Ausbildung/Studium/Tätigkeiten: Er ist bereits ausgebildeter Fachinformatiker und hat durch sein duales Studium bereits einen Bachelor of Science an der FH Dortmund. Er arbeitet bereits als Informatiker und macht parallel seinen Master in Wirtschaftsinformatik ebenda.
Welche Behinderung hat Ihr*e Assistenznehmer*in: Sie hat eine Sehbehinderung.


Hier findest du den Hörbeitrag mit Pascal Michallik:


Das Interview 

Wenn du jemandem deine Tätigkeit in einem Satz erklären müsstest: Wie würde der lauten?
Ich unterstütze eine beeinträchtigte Studentin in ihrem Studienleben, indem die Barrieren abgebaut werden.

Du arbeitest nun seit drei Jahren als Studienassistent für Vivien Birkner. Warum übst du diese Tätigkeit aus?
Da ich von ihr davon erfahren habe, dass sie jemanden sucht, ich die Zeit hatte und, weil das auch ein guter Nebenverdienst ist. Als ich anfing, für Vivien zu arbeiten, habe ich dual studiert und war zudem als Werksstudent angestellt. Mittlerweile arbeite ich in Vollzeit und mache parallel meinen Master. Nebenher arbeite ich noch als Studienassistent. Mit der Frage, ob ich als Assistent arbeiten möchte, hatte ich mich vor der Anfrage von Vivien nicht beschäftigt. Ich wusste auch gar nicht, dass es das gibt, bzw., was man da so macht. Da das für mich so klang, als wäre es recht leicht, das umzusetzen, habe ich mich dann dazu entschlossen, sie zu unterstützen.

Mischt sich dein Einsatzbereich als Studienassistenz noch mit anderen Assistenzformen?
Nein.

Könnest du einmal etwas genauer beschreiben, wie du deine Assistenznehmerin unterstützt?
Größtenteils ist es am digitalen Arbeiten orientiert, also Sätze, die noch nicht digital sind, zu digitalisieren oder Präsentationen zu erstellen, dafür zu sorgen, dass Informationen für sie barrierefrei sind. Es geht aber auch darum, sie auf dem Campus oder in die Bibliothek zu begleiten, für sie in der Bibliothek zu recherchieren; oder auch bei allgemeinen Studienaktivitäten zu begleiten. Aber größtenteils ist es die Literaturrecherche, weil Dokumente eben nicht immer barrierefrei sind. Es gibt ja Leitlinien für Dokumente. Oder, wenn ein Buch eingescannt wird, formatiere ich es nach den Richtlinien so, dass es für ihren Screenreader lesbar und für sie hörbar wird. Der Screenreader hat es umso leichter, je besser das Dokument ist.

Könnest du für deine Assistenznehmerin etwas Bestimmtes anbieten, das nur du kannst? Oder, was glaubst du, warum die Zusammenarbeit nun schon seit drei Jahren – auch nach Aussagen von Frau Birkner – so gut läuft?
Ich denke, wir verstehen uns gut und wir am Anfang den Rahmen ganz gut abgesteckt haben. Ich kann ja recht flexibel für sie arbeiten. Ich bekomme zum Beispiel Dokumente rechtzeitig, kann in dringenden Fällen aber auch einmal etwas für sie vorziehen. Und, dass ich digital fachlich ja gut aufgestellt bin, war für sie natürlich ein Benefit, dass ich mit meinen Hilfsmitteln, die ich dahabe, mich schnell zurechtfinden konnte.

Hast du dazu zusätzlich eine Fortbildung absolviert? 
Nein, das nicht. Ich habe mir dazu den Leitfaden, den die Universität zur digitalen Barrierefreiheit herausgibt, durchgearbeitet und umgesetzt; mehr aber nicht.

Assistenz - ist es für dich einfach nur ein Job oder eher eine Berufung?
Für mich ist das ein Job, der mir sehr gefällt.

Was gefällt dir an deinem Job besonders gut?
Er ist zwar nicht meine Berufung, aber er gibt mir einen Mehrwert. Man hilft ja jemandem und gibt sich entsprechend viel Mühe.

Was gefällt dir weniger gut?
Eigentlich nichts.

Arbeitest du ausschließlich als Assistent für Frau Birkner?
Ja, richtig.

Wie viele Stunden pro Woche arbeitest du für deine Assistenznehmer*in?
Vier Wochen pro Stunde. Das ist aber auch flexibel.

Wenn du es uns verraten möchtest: Wie viel verdienst du oder – falls du das nicht beantworten möchtest/darfst – kannst du von deinem Gehalt leben?
Da es sich um einen Nebenjob handelt und die Arbeit nicht besonders fordernd ist, passen die 200 Euro im Monat für mich. Davon allein leben könnte ich nicht.   

Wer bezahlt dich?
Vivien Birkner bezahlt mich über das Persönliche Budget.

Was müsste/dürfte besser laufen, damit mehr Menschen diesen Beruf ausüben können?
Es sollten mehr Menschen wissen, dass es diesen Job oder diesen Beruf gibt. Ich habe ja nur durch mein persönliches Umfeld, also durch den Kontakt im Freundeskreis, von Viviens Suche erfahren. Es wäre besser, wenn ich irgendwo konkret nach diesem Job suchen könnte.

Warum sollten viel mehr Menschen diesen Job machen?
Weil es den Bedarf gibt. Und für mich als Arbeitnehmer ist es ein sehr angenehmer Nebenjob, weil ich ihn mir frei einteilen kann. Ich habe den Kontakt zu meiner Assistentin und weiß, ob und was ich gut gemacht habe.

Danke für das Gespräch, Pascal.

 


Hier findest du den Hörbeitrag mit Vivien Birkner:


 

Fragen an die Assistenznehmerin

Allgemeine Angaben:

Vorname: Vivien
Nachname: Birkner
Geburtsjahr: 1997

Ausbildung/Studium: Master Sonderpädagogik im siebten Semester
Bisherige(r) Beruf(e)/Tätigkeiten: Sie arbeitet u.a. als Tutorin an der Fakultät Sonderpädagogik Reha-Assistenz Schwerpunkt Sehen und Lernen sowie Sonderpädagogik, Deutsch und Katholische Religion sowie Barrierefreiheit an der TU Dortmund.

Das Interview

Welche Behinderung hast du?
Ich bin hochgradig sehbehindert.

Was findest du besonders gut an deinem Assistenten?
Er ist immer da, wenn ich ihn brauche und sehr flexibel. Das weiß ich auch sehr zu schätzen. Und sorgfältig ist er auch und praktisch veranlagt. Und er ist sehr initiativ, so dass es kein Gefälle zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer gibt – ein sehr menschliches und freundschaftliches Verhältnis.

Wenn du jemandem den Beruf „Assistenz“ in einem Satz erklären müsstest: Wie würde der lauten?
Ich denke, eine Assistenz ist dazu da, die behindertenbedingten Nachteile im Alltag – oder wie bei mir jetzt im Studium – auszugleichen. Beim Studieren brauche ich zum Beispiel oft Literatur, die für mich nicht lesbar ist. Meine Assistenz muss für mich zum Beispiel auch mal querlesen, was ich gerade suche, so dass ich entscheiden kann, ob das zu meinem Thema passt. Er liest mir beispielsweise den Titel und das Inhaltsverzeichnis vor – und, wenn ich finde, dass das passt, dann liest er mir die Zwischenüberschriften vor.
Oder der Gang in die Bibliothek funktioniert alleine nicht...

Welche Fähigkeiten/Fertigkeiten/Kompetenzen muss deine Assistenz mitbringen? Und warum?
Meine Assistenz muss sehr sorgfältig sein. Das ist für mich sehr wichtig, weil ich viele Details nicht erkennen kann, wie bei der Literatur. Eine Assistenz hat ja viele Aufgaben. Bei mir ist aber die Formatierung auch sehr wichtig, dass es digital wird. Mir ist es wichtig, das richtig gemacht wird. Da gibt es halt bestimmte Standards, zum Beispiel für Überschriften, wenn ich die in einem Seminar ausgedruckt um die Ohren bekomme, muss das natürlich so digitalisiert werden, dass ich es in der Sprachausgabe richtig vorgelesen bekomme, so dass ich da gut mit arbeiten kann. Generell wäre es gut, wenn die Assistenz technisch versiert ist, zum Beispiel gut mit Word umgehen kann und Präsentationen und Darstellungen erstellen kann – auch, was das Layout betrifft. Und dann ist mir noch wichtig, dass es eine Vertrauensbasis gibt, wenn ich von mir und etwaigen Schwierigkeiten erzähle. Und auch, wenn ich mit Hindernissen konfrontiert bin, dass ist schon wichtig und es wäre jetzt natürlich nicht so gut, wenn er mich so einen Pöhler auf dem Campus laufen lassen würde (lacht). Das wäre jetzt nicht so gut (lacht weiter). Über diesen Orientierungsaspekt denkt man jetzt vielleicht als Außenstehender oder jemand, der das noch nie gemacht hat oder nicht betroffen ist, nicht so drüber nach. Gerade, wenn man sich zum Beispiel kennenlernt, muss da ja erstmal Vertrauen entstehen. Man vertraut sich da jemandem an, den man noch gar nicht richtig kennt – und, das muss sich erstmal richtig einspielen. Das hat bei Pascal und mir schon mehrere Wochen gedauert, bis sich das richtig eingespielt hat, indem er weiß, was ich noch sehe, wie ich mich bewege und ich weiß, wie er sich bewegt. Und natürlich auch Fragen, wie: „Ah, darf ich dich jetzt beim Begleiten anfassen? Möchtest du das überhaupt, oder lieber nicht?“ Das braucht seine Zeit.

In welchem Einsatzbereich arbeitet dein Assistenz für dich?
Er arbeitet ausschließlich als Studienassistenz für mich.

Warum haben Sie Ihre*n Assistent*in ausgewählt? Was kann sie/er besonders gut?
Dass er jetzt ausgerechnet mein Assistent ist, ist Zufall. Ich hatte damals nicht so eine Auswahl. Vor ihm hatte ich eine andere Assistentin. Ich studiere jetzt seit sieben Jahren. Sie hat mich vier Jahre begleitet. Da sie jedoch einen anderen Job angenommen hat, hat sie mir relativ kurzfristig gekündigt. Das war kurz vor Corona und als die Lockdowns gestartet sind. Deshalb war es für mich sehr schwer, zum Beispiel eine potenzielle neue Assistenz auf dem Campus kennenzulernen. Und Pascal kannte ich schon aus dem Freundeskreis. Er hatte schon viel von meiner vorangegangenen Assistentin mitbekommen. Und als ich in der Runde gesagt habe, dass ich jetzt dringend jemanden brauche, hat er gesagt, dass er sich das gut vorstellen könnte zu machen. Und seitdem, also seit drei Jahren, ist das jetzt so. Und ich bin tatsächlich noch zufriedener als vorher. Zum einen kannte er meine Situation ja schon und zum anderen studiert er ja Informatik und kennt sich mit diesen ganzen technischen Sachen wie Powerpoint und Layouts sehr aus. Das er das so gut kann, ist schon sehr praktisch (lacht erleichtert). Zudem ist er sehr zuverlässig und arbeitet sehr schnell. Er ist immer da, wenn ich ihn brauche und sehr flexibel. Das weiß ich auch sehr zu schätzen. Und sorgfältig ist er auch und praktisch veranlagt. Und er ist sehr initiativ, so dass es kein Gefälle zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer gibt – also ein sehr menschliches und ein freundschaftliches Verhältnis. Die Freundschaft, die es ja schon gab, hat darunter nicht gelitten.

Welche Fortbildungen/Ausbildungen hat er absolviert?
Keine.

War das relevant für die Wahl?
Nein.

Arbeiten mehrere Assistenten*innen für Sie oder eine*r?
Ausschließlich er.

Wie viele Stunden pro Woche arbeiten Assistent*innen für Sie?
Vier Stunden pro Woche.

Wer bezahlt Ihre Assistent*in/Ihren Assistenten. Sind Sie Arbeitgeberin und arbeiten mit dem Persönlichen Budget, richtig?
Ja, genau. Er ist als Assistenz bei der Minijobzentrale gemeldet. Sein Lohn läuft über den Landschaftsverband, dort habe ich damals einen Antrag gestellt, dass ich Studienassistenz brauche. Die Stunden, die er für mich arbeitet, zahle ich ihm aus. Die Nachweise über die Abrechnung wie Stundenzahl und Auszahlungen liefere ich dem LWL.

Was müsste/dürfte besser laufen, damit mehr Menschen diesen Beruf ausüben können?
Ich fände es gut, wenn es nicht nur über Mundpropaganda liefe, wenn es um die Assistenzwahl geht. Bei meiner vorangegangenen Assistentin lief das ja auch so. Und es ist ja nicht nur bei mir so, sondern auch in meinem Umfeld, dass man irgendwen kennt. Doch das ist ja eigentlich sehr schade, weil so nur wenige Menschen mit dem Thema Behinderung in Kontakt kommen und – selbst, wenn – vielleicht auch Berührungsängste haben. Und das kommt natürlich auch auf die Art der Behinderung an, woraus dann ja auch wieder andere Aufgaben resultieren. Aber, wenn ich das jetzt mal so von meiner Perspektive aus spreche, ist das ja ein ganz angenehmer Beruf, so Sachen für mich umzusetzen und bei der Orientierung zu helfen. Ich glaube ganz viele wissen gar nicht, was das für eine Arbeit ist. Da braucht es einfach mehr Aufklärung. Denn auch für Studierende ist das ja ein super Job, wenn man zum Beispiel am selben Ort oder sogar am selben Campus lebt.

Finden Sie, dass Ihre Assistenz gut genug bezahlt wird? Wenn nein: Warum nicht? Was müsste sich ändern?
Also ich finde mit Blick auf die Aufgaben ist das schon in Ordnung. Er bekommt halt den Mindestlohn. Und ich glaube, er ist damit auch zufrieden. Das können Sie ihn ja noch selbst fragen (lacht).

Sind Sie zufrieden mit dem Angebot von Assistent*innen auf dem Arbeitsmarkt? Wenn nein: Was müsste sich verbessern?
Dadurch, dass sich das bei mir innerhalb meines Umfelds ergeben hat und ich mich mit der anderen Ebene nicht beschäftigt habe, kann ich da nicht so viel zu sagen.

Warum sollten viel mehr Menschen als Assistent*innen arbeiten?
Ich finde – gerade als Nebenjob – ist das eine sehr flexible Tätigkeit. Und eine mit Mehrwert. Allein, wenn ein Mensch als Assistent arbeitet, tut er ja auch was für die Aufklärung rund um das Bild von Menschen mit Behinderungen und wie vielfältig dieses Bild ist.

Danke für das Gespräch, Frau Birkner.