Dortmund
Das Interview wurde im August 2023 in den Büroräumen des KSL.Arnsberg geführt.
Fragen an eine Arbeitsassistentin
Allgemeine Angaben
Vorname: Anastasia
Nachname: Wedekind
Geburtsjahr: 2002
Studium: Lehramtsstudium Wirtschaftswissenschaften und Englisch fürs Berufskolleg an der TU Dortmund
Bisherige(r) Beruf(e)/Tätigkeiten: Gastronomie- und Einzelhandelstätigkeiten
Welche Behinderung hat deine Assistenznehmerin? Sie ist hochgradig sehbehindert.
Interview
Wie würdest du jemand anderem deine Tätigkeit als Arbeitsassistentin in einem Satz erklären?
Ich unterstütze eine hochgradig sehbehinderte Sozialarbeiterin bei Tätigkeiten, die sie aufgrund ihrer Behinderung nicht ohne Hilfe ausüben kann.
Der Bereich der Assistenztätigkeiten ist recht groß. Zum Beispiel gibt es Pflege-Assistent*innen, Haushaltsassistent*innen, Taubblindenassistent*innen, Studienassistent*innen – und du arbeitest neben dem Studium als Arbeitsassistentin, richtig?
Ja, genau.
Was ist das genau, was du da tust?
Hauptsächlich ist es, ein weites Blickfeld zu haben und mehrere Dinge gleichzeitig zu sehen. Ich bin „ihre“ Augen, wenn man zum Beispiel großflächig auf Webseiten unterwegs ist oder, wenn man Ordner in Schränke einsortiert, weil ich zum Beispiel schnell viele Dinge sehen kann. Oder ich übernehme auch das Sortieren von Dokumenten oder bin Begleitung auf Veranstaltungen, um Orientierung zu geben. Ab und an lese ich ihr auch vor.
Warum übst du diesen Beruf aus?
Ich übe diesen Beruf aus, weil mir das zwischenmenschliche Arbeiten gefällt, weil mir das Spaß macht. Vorher – als ich in der Gastronomie und im Einzelhandel gearbeitet habe – hat mir das Zwischenmenschliche gefehlt.
Du studierst auch – und übst die Assistenztätigkeit parallel zu deinem Studium aus. Was studierst du?
Ich studiere Lehramt für Wirtschaftswissenschaften und Englisch für das Berufskolleg.
Wie viele Stunden pro Woche arbeitest du für deine Assistenznehmerin?
Ich arbeite siebeneinhalb Stunden pro Woche.
Wie ist das bei dir in Verbindung mit deinem Studium aufgeteilt?
Es ist immer auf drei Tage aufgeteilt à zweieinhalb Stunden. Und wir schauen dann jede Woche neu: Wie passt das? Wie sind die Kurse gelegt und in welchen Zeiten kann ich arbeiten kommen?
Ok – das heißt, die Arbeitseinteilung lässt sich für beide Seiten flexibel gestalten: sowohl für dein Leben als auch für das Leben deiner Assistenznehmerin.
Ja.
Wer bezahlt dich?
Meine Assistenznehmerin bezahlt mich. Ich habe einen Mini-Job bei ihr.
Würden Sie diesen Beruf einem anderen Menschen empfehlen? Und wenn ja: Warum?
Auf jeden Fall, weil man mit einer einfachen Tätigkeit so viel schaffen und helfen kann und, weil man diesen zwischenmenschlichen Austausch hat. Man ist nicht nur Arbeitgeber*in und Mitarbeiter*in. Man hat auch ein fast freundschaftliches Verhältnis, weil man so nah zusammenarbeitet…
Die sprichwörtliche Chemie muss also stimmen?
Ja, auf jeden Fall.
Du empfiehlst diesen Beruf also vor allem deshalb, weil es dir Freude macht, eine zwischenmenschliche Beziehung aufzubauen…
Ja, genau.
Wie lange arbeitest du schon für deine Assistenznehmerin?
Ein Jahr lang.
Wie bist du an die Tätigkeit als Arbeitsassistentin gekommen?
Das kam relativ spontan. Ich habe nach einer neuen Arbeitsstelle gesucht, indem ich mich umgehört habe. Ich habe jetzt nicht im Internet recherchiert, oder so, sondern, weil eine Freundin als Assistenz gearbeitet hat und eine neue Assistenz gesucht wurde. Dann habe ich mich beworben, bin zum Vorstellungsgespräch vorbeigekommen – und das hat direkt gepasst – und dann habe ich hier angefangen.
Mischt sich dein Arbeitsbereich noch mit anderen Arbeitsbereichen von Assistenztätigkeiten?
Nein.
Kannst du für deine Assistenznehmer*in etwas bestimmtes anbieten, das nur du kannst?
Also, ich glaube nicht, dass ich ganz besondere Fähigkeiten habe, die kein*e andere*r hat. Grundanforderungen an mich waren Abitur, dass ich die deutsche Rechtschreibung beherrsche und mit dem PC umgehen kann und Internetkenntnisse habe. Darüber hinaus ist wichtig, dass man zuverlässig und korrekt arbeitet. Ich würde in Bezug auf die Arbeit sagen, dass ich zuverlässig bin und korrekt arbeite – und ich Humor in die Sache mit reinbringe; dass man auch locker miteinander reden kann.
Würdest du mir zustimmen, wenn ich dir sage, dass du wie ein offener Mensch wirkst?
Ja, genau. Das trifft es.
Gab es sonst Fortbildungen oder Ausbildungen, die du machen musstest?
Nein.
Assistenz - ist es für dich einfach nur ein Job oder eher eine Berufung?
Berufung würde ich jetzt nicht ganz sagen, da ich mit meinem Studium ja ein anderes Ziel anstrebe, auch, wenn die Assistenztätigkeit sehr gut zu mir passt. Aber ich würde auch nicht sagen, dass die Assistenztätigkeit für mich nur ein Job ist. Zum Beispiel würde ich jetzt nicht einfach so schnell kündigen, weil ich diese Tätigkeit auf Dauer machen möchte. Von daher ist sie für mich mehr als nur ein Job.
Du strebst also in den noch anstehendenden sieben Semestern an, dieser Tätigkeit nachzugehen?
Ja, genau.
Du hast jetzt schon einiges berichtet, was dir gut an dieser Tätigkeit gefällt. Was gefällt dir weniger gut?
Da fällt mir gar nicht so viel ein. Eine Sache höchstens: Wenn ich zum Beispiel aus einer juristischen Fachzeitschrift vorlesen muss, kann es sein, dass ich das beim dritten oder vierten Wiederholen eines juristischen Fachbegriffs schon ein bisschen anstrengend empfinde. Und, dass man überhaupt drei, vier Mal wiederholen muss, was natürlich verständlich ist.
Das heißt, dass du auch deine Geduld trainierst?
Ja, das kann man so sagen.
Arbeitest du ausschließlich als Assistent*in für diese eine Assistenznehmerin?
Ja, genau.
Wenn du es uns verraten möchtest: Wie viel verdienst du – oder – falls du das nicht beantworten möchtest: Kannst du von deinem Gehalt leben?
Also ich verdiene mehr als den Mindestlohn und für eine studentische Tätigkeit ist das, was ich verdiene, sehr gut. Aber es reicht jetzt nicht zum Leben, vor allem, weil ich ja nur 7,5 Stunden arbeite. Ich beziehe Bafög und muss daher meine Miete und bestimmte Lebenshaltungskosten also nicht davon leisten. Durch die Assistenztätigkeit kann ich mir leisten, mit Freunden essen zu gehen oder in den Urlaub zu fahren und Kleinigkeiten zu kaufen, die man sich sonst nicht gönnen würde.
Dient dir die Tätigkeit auf deinem beruflichen Weg gegebenenfalls noch für etwas anderes?
Natürlich dient mir die Tätigkeit auch als Referenz. Ein Zeugnis in diesem Bereich ist bestimmt auch gut für meine spätere Tätigkeit als Lehrerin.
Was müsste/dürfte besser laufen, damit mehr Menschen diesen Beruf ausüben können?
Ich könnte mir vorstellen, dass es viel mehr Informationen über diesen Beruf geben sollte. Ich selbst wusste gar nichts davon, dass es diesen Beruf gibt. Es muss viel mehr in die Welt hinaus und, dass es Menschen gibt, die diese Assistenz nehmen wollen.
Warum sollten viel mehr Menschen dieser Tätigkeit nachgehen?
Es sollten mehr Menschen dieser Tätigkeit nachgehen, weil man sich vielleicht etwas anderes drunter vorstellt, als wie es tatsächlich ist, weil es nämlich Spaß macht und ne Freude ist, mit den Menschen zusammen zu arbeiten und man es manchmal gar nicht so als Arbeit ansieht und, weil man zwischenmenschlich miteinander kommuniziert und man dann auch einfach gerne etwas für die andere Person macht.
Dann danke ich dir für das Gespräch, Anastasia.
Gern.
Hier findest du den Hörbeitrag von Anastasia Wedekind: